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Extrakoprorale Stoßwellentherapie am Knochen – Voodoo oder Therapieoption?

Extrakoprorale Stoßwellentherapie am Knochen – Voodoo oder Therapieoption?


Die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) stellt eine potente Alternative in der Behandlung von
Knochenpathologien wie Pseudarthrosen und avaskulären Hüftkopfnekrosen dar. Klinisch beobachtete
Therapieerfolge wurden bereits in experimentellen Versuchen bestätigt und der Wirkungsmechanismus
zunehmend aufgeklärt – es geht von einer ursprünglich mechanischen Hypothese immer mehr in
Richtung der Geweberegeneration.

Wirkungsmechanismus
Anfänglich ging man von einem „mechanistischen Wirkungsmodell“ der Stoßwelle aus: Dieser Theorie gemäß verursacht die Stoßwelle nach schädigungsfreiem Durchdringen des Weichteilmantels ossäre Mikroläsionen, die in weiterer Folge einen Heilungsreiz induzieren sollten. Nach neueren Erkenntnissen in der Grundlagenforschung erwies sich die Annahme der mechanischen Wirkung als nicht zutreffend. So konnte Maier nachweisen, dass die optimale osteoinduktive Wirkung der Stoßwelle an Rattenfemura bei Energieflussdichten und Impulszahlen gefunden wird, die auch histologisch keine nachweisbaren Zerstörungen im Gewebe zeigten.1 Diese Erkenntnis führte dazu, dass sich die Grundlagenforschung weltweit mehr und mehr auf die biologische Wirkung der Stoßwelle konzentrierte. So konnten Wang et al zeigen, dass während der Applikation und bis zu 12 Wochen danach im Gewebe diverse biologisch hochaktive Substanzen freigesetzt werden.2 Unter dem Einfluss der Stoßwelle wurde unter anderem die Produktion von Stickstoffmonoxid (NO) durch die endotheliale Stickstoffmonoxid-Synthase (eNOS), Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), Bone Morphogenetic Proteins (BMPs) und anderer Wachstumsfaktoren im Gewebe nachgewiesen. Es konnte belegt werden, dass die Stoßwelle die Neubildung und das Einsprossen von Blutgefäßen (Angiogenese) in das behandelte Gewebe bewirkt. Die dadurch verbesserte nutritive Gewebeversorgung bei gleichzeitiger Freisetzung von Wachstumsfaktoren scheint für die beobachtete Ausheilung verantwortlich zu sein.

Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass die Applikation von Stoßwellen einen positiven Einfluss auf das Migrationsverhalten3 und die Fähigkeit zur Differenzierung4 von Stammzellen ausübt. Das sind Hinweise darauf, dass es nicht nur zur Reparation, sondern auch zur Regeneration des behandelten Gewebes kommt. Basierend auf diesen Erkenntnissen beginnt sich der Nebel des Voodoo um die Stoßwellentherapie zu lichten.

ESWT bei Pseudarthrose
Sehr eindrucksvoll zeigt sich diese regenerative Wirkung der ESWT am Beispiel eines 58-jährigen Patienten, der wegen einer ausgeprägten Gonarthrose mit einer Kniegelenkprothese versorgt wurde. Vier Jahre danach erlitt er eine suprakondyläre Oberschenkelschaftfraktur, die primär mit Doppelplatte und zementierter Langschaftprothese stabilisiert wurde. Bereits 2 Monate später kam es zum Plattenbruch und zur Reverplattung. Nach neuerlichem Implantatversagen erfolgten nach weiteren 2 Monaten die Plattenentfernung und die Stabilisierung der Fraktur mittels Drahtcerclagen. Aufgrund der Bildung einer hypertrophen Pseudarthrose wurde der Patient 4 Monate danach im Unfallkrankenhaus Meidling vorgestellt (Abb. 1A). Der Zement hat die endostale Durchblutung vollständig kompromittiert, während die initial angebrachten Platten mindestens 50% der periostalen Durchblutung gestört haben. Damit war der drastische Durchblutungsmangel an der Frakturstelle wesentliche Ursache für das Ausbleiben der Heilung. Abbildung 1B gibt die gehaltenen Röntgenbilder desselben Patienten unmittelbar vor der Stoßwellenbehandlung wieder; es zeigt sich eine deutliche Mobilität in der Pseudarthrose und im gebrochenen
Prothesenschaft. Zur Immobilisierung nach ESWT war die Anlage eines Fixateur externe geplant, der sich aber aufgrund der schlechten Knochenqualität nicht stabil implantieren ließ. Deshalb wurde nach der Stoßwellenbehandlung ein Beckenbeingips für 6 Wochen angelegt. Abbildung 1C zeigt das Ausheilungsergebnis bereits 6 Monate nach einmaliger ESWT in geringer Varusfehlstellung.

Abb. 1: Männlicher Patient (58 Jahre) mit hypertropher Pseudarthrose nach multiplen Revisionsoperationen bei suprakondylärer periprothetischer Oberschenkelfraktur 4 Jahre nach primärer Kniegelenksprothese wegen Gonarthrose (A). Gehaltene Aufnahmen zeigen ausgeprägte Mobilität in der Pseudarthrose (B). Ausheilungsergebnis 6 Monate nach ESWT (C)

Grundsätze zur Behandlung von Knochenpathologien mit ESWT
Die Behandlung von Knochen erfordert grundsätzlich die Anwendung einer fokussierten Stoßwelle mit hohen Energieflussdichten und Geräten mit großen Therapieapplikatoren. Als Stoßwellenquelle kommt die elektromagnetische und die elektrohydraulische Technologie zur Anwendung. Bei der elektrohydraulischen Stoßwelle erfolgt die Behandlung in einer Sitzung, bei der elektromagnetischen sind 2 bis 4 Sitzungen erforderlich. Aufgrund der hohen Energieflussdichten wird die Behandlung in Sedierung oder Anästhesie durchgeführt. Zur exakten Platzierung des Behandlungsfokus wird ein RöntgenC-Bogen benötigt. Die Behandlung dauert in der Regel 15 bis 30 Minuten. Kontraindikationen (gemäß den Richtlinien der International Society for Medical Shockwave Treatment, siehe auch www.ismst.com):
– (ausgeprägte) Koagulopathien
– Epiphyse im Fokus
– Hirngewebe oder Rückenmark im Fokus
– Tumorgewebe im Fokus
– Lungengewebe im Fokus
– Schwangerschaft
Da es nach der ESWT zur Neubildung von Blutgefäßen (Kapillaren) kommt, die in das behandelte Areal einsprossen, benötigen diese, vor allem in den ersten 3 bis 4 Wochen, einen Schutz vor mechanischer Belastung. Instabile Pseudarthrosen müs sen daher ruhiggestellt und eventuell auch entlastet werden. Selbst wenn in der gleichen Sitzung eine Dynamisierung durchgeführt wurde, sollte aus diesem Grund mit der Belastung erst nach 4 Wochen
begonnen werden, was bei Zuweisern oft Unverständnis auslöst. In der Unfallchirurgie und Orthopädie wird die ESWT vor allem zur Behandlung von verzögert oder nicht heilenden Knochenbrüchen (Pseudarthrosen)5, 6 genützt.
Aber auch bei der Behandlung von Hüftkopfnekrosen7, 8, von frühen Stadien der Osteochondritis dissecans9, 10 und von Stessfrakturen11, 12 kommt der ESWT immer mehr Bedeutung zu.

ESWT bei der avaskulären Hüftkopfnekrose (AVN)
Aufgrund der Verbesserung der Durchblutung im behandelten Gebiet stellt die nicht invasive ESWT eine interessante Therapieoption bei der Behandlung von avaskulären Hüftkopfnekrosen dar. Wang8 hat bereits 2005 nachgewiesen, dass die ESWT der operativen Therapie (Entlastungsbohrung und Spongiosaplastik) überlegen ist.

Er verglich 23 Patienten (29 Hüften), die mit Stoßwelle behandelt worden waren, mit 25 Patienten (28 Hüften), die im gleichen Zeitraum operativ versorgt worden waren. Demografisch waren die beiden Patientenkollektive vergleichbar. Die Nachuntersuchung erfolgte nach 1, 3, 6 und 12 Monaten und dann jährlich 3 Jahre hindurch. Neben klinischen Kontrollen (Harris Hip Score, VAS, ADL) wurden auch Röntgenkontrollen und MRI Untersuchungen durchgeführt. Bereits nach 6 Monaten zeigten sich signifikant bessere Ergebnisse in der Stoßwellengruppe bezüglich Schmerz (VAS) und Funktion (Harris Hip Score), die sich über den gesamten Beobachtungszeitraum von 3 Jahren bestätigten. In diesem Zeitraum benötigten insgesamt 32% (9 von 28) Patienten der operativen Gruppe eine Hüft-TEP, verglichen mit nur 10% (3 von 29) in der ESWTGruppe. Interessanterweise mussten nur 13% (2 von 16) der Patienten in der ESWT-Gruppe – im Gegensatz zu 56% (5 von 9) in der Operationsgruppe –, die vor der Behandlung mit AVN des Stadiums ARCO III klassifiziert worden waren, mit einer Hüft-TEP versorgt werden. Im Rahmen eines kürzlich stattgefundenen Treffens erfuhren wir in einem Gespräch mit Prof. Wang hinsichtlich desselben Patientenkollektives mit 8- bzw. 9-JahresErgebnissen, dass die Ergebnisse nach diesem langen Beobachtungszeitraum nicht nur stabil, sondern auch noch signifikanter
werden (data in press). Unseren Erfahrungen im AUVA-UKH Meidling nach zeigt sich erwartungsgemäß, dass mit besseren Ergebnissen zu rechnen ist, je früher die ESWT durchgeführt wird. Wir empfehlen den Patienten generell die Entlastung für 6 Wochen nach der Therapie. In späten Stadien, wenn bereits radiologisch erhebliche Deformierungen des Hüftkopfes nachzuweisen sind, kann die ESWT zwar kurzfristig (6 bis 12 Monate) klinisch eine Verbesserung erzielen, die Hüft-TEP lässt sich damit aber nur in den seltensten Fällen vermeiden. In jedem Fall ist es wichtig, dem Patienten zu erklären, dass durch die ESWT wie bei der Pseudarthrosenbehandlung keinerlei mechanische Schäden am Knochen entstehen. Abbildung 2 zeigt das MRI-Bild (mit Kontrastmittel) einer 39-
jährigen Patientin, die nach komplikationsfreier Entbindung seit 3 Monaten über heftige Schmerzen in der
rechten Hüfte klagt. Es findet sich eine deutliche Kontrastmittelaussparung im kranialen Quadranten des
rechten Hüftkopfes (vor ESWT). Abbildung 3 zeigt dieselbe Patientin 6 Monate nach ESWT. Die klinischen Beschwerden haben sich unmittelbar nach der Behandlung gebessert und sind nach etwa 6 Wochen (Ende der
Entlastung) vollständig abgeklungen. Der rechte Hüftkopf scheint wieder normal durchblutet zu sein. Unserer Erfahrung nach sind die Durchblutungsstörungen und die Ödeme im MRI noch 3 bis 5 Monate nach ESWT – auch bei Beschwerdefreiheit der Patienten – nachweisbar. Daher führen wir vor dem Ablauf von 6 Monaten nur bei Zunahme der Beschwerden eine MRI-Untersuchung durch. Wir überblicken auch einige Patienten, bei denen ein polypragmatischer Ansatz gewählt wurde. Neben Infusionen mit Iloprost und hyperbarer Sauerstofftherapie wurde auch die ESWT eingesetzt. Natürlich lässt sich bei diesen Patienten nach erfolgreicher Behandlung nicht sagen, welche Maßnahme entscheidend für den Erfolg war. Erwähnenswert scheint uns, dass ein synergistischer Effekt durchaus denkbar wäre.

Conclusio
Abgesehen davon, dass es sich bei der ESWT um eine patientenfreundliche nicht invasive Therapie handelt, die ohne
wesentliche Lernkurve praktisch komplikationsfrei durchgeführt werden kann, ist sie auch deutlich billiger als jedes ope rative Verfahren. Es ist daher wenig verständlich, dass nur ein Bruchteil der Patienten, die von der Stoßwellentherapie profitieren könnten, diese auch angeboten bekommt.
Referenzen:
1. Maier M et al: Influence of extracorporeal shock-wave application on normal bone in an animal model in vivo. Scintigraphy, MRI and histopathology. J Bone Joint Surg Br 2002; 84(4): 592-599
2. Wang CJ et al: Shock Wave-Enhanced Neovascularization at the Tendon-Bone Junction: An Experiment in Dogs. The Journal of Foot & Ankle Surgery 2002; 41(1): 16-22
3. Aicher A et al: Low-Energy Shock Wave for Enhancing Recruitment of Endothelial Progenitor Cells: A New Modality to Increase Efficacy of Cell Therapy in Chronic Hind Limb Ischemia. Circulation 2006; 114: 2823-2830
4. Wang FS et al: Extracorporeal shock wave promotes growth and differentiation of bone-marrow stromal cells towards osteoprogenitors associated with induction of TGF-beta 1. J of Bone and Joint Surg 2002; 84(3): 457-61
5. Cacchio A et al: Extracorporeal shock-wave therapy compared with surgery for hypertrophic long-bone nonunions. J Bone Joint Surg Am 2009; 91(11): 2589-9
6. Furia JP et al: Shock wave therapy compared with intramedullary screw fixation for nonunion of proximal fifth metatarsal metaphyseal-diaphyseal fractures. J Bone Joint Surg Am 2010; 92(4): 846-54
7. Ludwig J et al: High-energy shock wave treatment of femoral head necrosis in adults. Clin Orthop 2001; (387): 119-126
8. Wang CJ et al: Treatment for Osteonecrosis of the Femoral Head: Comparison of Extracorporeal Shock Waves with Core Decompression and Bone-Grafting. J Bone Joint Surg Am 2005; 87: 2380-2387
9. Marx S et al: Fallvorstellung der arthroskopisch kontrollierten Therapie der Osteochondrosis dissecans mittels ESWT. Arthroskopie 2003; 16: 266-271
10. Thiele R et al: Extracorporeal Shockwave Therapy for Adult Osteochondritis dissecans of the Femoral Condyle and the Talus. 7th Congress of the International Society for Musculoskeletal Shockwave Therapy, Kaohsiung, 2004

11. Moretti B et al: Shock waves in the treatment of stress fractures. Ultrasound Med Biol 2009; 35(6): 1042-9

12. Taki M et al: Extracorporeal Shock Wave Therapy for Resistant Stress Fracture in Athletes. Am J Sports Med 2007; 35: 1188-92

Autoren: W. Schaden*, R. Mittermayr# * AUVA-Unfallkrankenhaus Meidling, Wien stosswellenzentrum-wien.at
# AUVA-Forschungszentrum, Ludwig Boltzmann Institut für experimentelle und klinische Traumatologie, Austrian Cluster for Tissue Regeneration

E-Mail: rainer.mittermayr@LBITRAUMA.ORG
Korrespondierender Autor: Dr. Wolfgang Schaden
E-Mail: med.eswt.schaden@aon.at ort110572

Schaden W, Mittermayr R.Jatros Orthopädie & Rheumatologie. 5/2011; 72-74

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